von Altdeutschherrenmeister Ehrenritter Prof. Dr. Dieter Salch
Der für den Dienst an Armen und Kranken und den Glaubenskampf bestimmte Deutsche Orden war seit seiner 1190 erfolgten Errichtung eine Gemeinschaft von geistlichen und weltlichen Mitgliedern. Seine Prägung erhielt er durch zwei ihm eigentümliche Spezifika: Seine seit 1198 vorhandenen, dem Glaubenskampf verpflichteten geistlichen Ritterbrüder und seine von ihm seit 1220 rezipierten, durch die um 1244 entstandenen Ordensregeln anerkannten, in der Weltlichkeit verbliebenen, ihm aber geistlicherweise verbundenen, den Dienst an Armen und Kranken unterstützenden Familiaren.
Im Zusammenhang mit seinem zeitbedingten Wandel zu einem adeligen Versorgungsinstitut für seine Ritterbrüder stellte der Deutsche Orden die Aufnahme von Familiaren seit Anfang des 16. Jahrhunderts ein. Daher erwähnten die Ordensregeln von 1606 und 1839 keine Familiaren mehr. Damit hatte der Deutsche Orden ein wesentliches Spezifikum verloren.
Durch Großkapitelbeschluß vom 28. April 1865 schuf der seit dem Tagesbefehl Napoleons vom 24. April 1809 aus Deutschland verdrängte und auf die österreichischen Erblande beschränkte Deutscher Orden zur Unterstützung der in ihm neu auflebenden Hospitalität ihm affilierbare, auf den katholischen deutschen Adel beschränkte Ehrenritter. Durch weiteren Großkapitelbeschluß vom 7. Juni 1871 eröffnete der Deutsche Orden als Hilfeleistung für den von ihm aufgenommenen Sanitätsdienst im Krieg zunächst dem katholischen, später auch dem christlichen, zunächst dem österreichischen, später auch dem auswärtigen Adel den Besitzerwerb des vom Deutschen Orden gestifteten Marianerkreuzes. Weder die Ehrenritter noch die Marianerkreuzbesitzer stellten eine Wiederbelebung der untergegangenen Familiaren dar. Den Ehrenrittern und den Marianerkreuzbesitzern fehlte die den Familiaren eigentümliche geistliche Verbindung zum Deutschen Orden. Dennoch wurde fehlerhaft in den Ehrenrittern eine Wiederbelebung der untergegangenen Familiaren gesehen. Daran anknüpfend erwähnten die am 14. Juni 1871 von Papst Pius IX. approbierten Regeln der Conventsbrüder der vom Deutschen Orden neu geschaffenen Priesterconvente unter Rückgriff auf die alten Ordensregeln von 1244 erstmals wieder Familiaren.
Der am 27. Mai 1917 promulgierte CIC und der bei Ausgang des Ersten Weltkriegs verabschiedete Friedensvertrag von St. Germain bedingten eine, durch seine Verklerikalisierung erfolgte Umwandlung des Deutschen Ordens von einem laikal geistlich-ritterlichen Orden in einen das Rittertum ausschließenden klerikal geistlichen Orden. Zu Folge dessen unterblieben seit dem 12. Oktober 1918 die Aufnahme von Ehrenrittern und seit dem 21. März 1923 die Verleihung des Marianerkreuzes. Mit Großkapitelbeschluß vom 16. April 1925 wurde die Aufnahme von geistlichen Ritterbrüdern als nicht mehr zulässig erklärt. Mit dem Ausschluß des ihm seit seiner Gründung eigenen ritterlichen Elements drohte dem Deutschen Orden der Verlust eines weiteren, für ihn wesentlichen Spezifikums, zumal mit der Abschaffung der geistlichen Ritterbrüder die Beibehaltung der Ehrenritter auf Schwierigkeiten stieß.
Die Kontinuität der Geschichte des Deutschen Ordens und die Wahrung des für ihn wesentlichen Spezifikums erforderten, das rechtlich aufgegebene Prinzip des Ritterordens wenigstens auf ideeller Basis aufrechtzuerhalten. Die neuen, am 27. April 1929 von Papst Pius XI. approbierten Regeln des jetzt klerikal geistlichen Deutschen Ordens erlaubten diesem daher, sich einzelne, nicht auf den Adel beschränkte hervorragende Wohltäter nach der Art von Familiaren ohne deren Benennung als Ehrenritter zu assoziieren. Dadurch sollten die als wertlos und hohl erachteten bisherigen, auf den Adel beschränkt gewesenen Institute der Ehrenritter und Marianerkreuzbesitzer ersetzt werden. Auf Drängen des Deutschen Ordens gestattete die Religionskongregation des Heiligen Stuhl diesem am 7. April 1938, die ihm nach Art von Familiaren assoziierten hervorragenden Wohltäter als Ehrenritter zu benennen. Die damit erfolgte Schaffung eines neuen Instituts von Ehrenrittern bedeutete de facto die Aufhebung des bisher nur ruhenden Instituts der 1865 geschaffenen Ehrenritter.
Nach der durch das neu geschaffene Institut ermöglichten Rettung des ritterlichen Spezifikums des Deutschen Ordens unternahm es der Deutsche Orden, zur Belebung des ihm eigentümlichen Spezifikums der Verbindung von geistlichen und weltlichen Mitgliedern in extensiver Auslegung der Bestimmung seiner neuen Regeln über die Assoziierung hervorragender Wohltäter nach der Art von Familiaren ein neues Institut von Familiaren zu schaffen, um sich hierdurch personell und finanziell zu stärken. Mit Bewilligung des vom Heiligen Stuhl zum Visitator des Deutschen Ordens bestimmten P. Hilarin Felder OFMCap. beschloß daher das Generalkapitel des Deutschen Ordens am 27. März 1936 auf ordensrechtlicher Grundlage über die Assoziierung von der Zahl nach beschränkten Ehrenrittern hinaus die Aufnahme von der Zahl nach nicht beschränkten, Marianer genannten Familiaren. Die damit erfolgte Einführung des neuen Instituts von Familiaren bedingte die durch Generalkapitelbeschluß vom 4. oder 5. November 1936 de iure erfolgte Aufhebung des bisher nur ruhenden Instituts der 1871 geschaffenen Besitzer des Marianerkreuzes.
Der einsetzende Zweite Weltkrieg unterband den vom Deutschen Orden angestrebten Auf- und Ausbau des neu geschaffenen Instituts der Familiaren, zumal Adolf Hitler den Deutschen Orden in Österreich am 6. September 1938 und in der Tschechoslowakei im sudetendeutschen Gebiet am 27. Februar 1939 aufhob. Der Auf- und Ausbau des neu geschaffenen Instituts der Familiaren geschah daher erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, der den Deutschen Orden auch wieder nach Deutschland zurückführte.
Das Generalkapitel des Deutschen Ordens beschloß am 10. bis 13. Mai 1948, daß die Gewinnung von Familiaren in größerer Zahl erstrebenswert sei. Daher erließ der Deutsche Orden auf ordensrechtlicher Grundlage 1956 erstmals ein Statut für die Familiaren. Die damit umrissenen Bestrebungen des Deutschen Ordens schlugen sich nieder in dem vom 15. Juli 1951 bis zum 31. Dezember 1958 kirchenrechtlich geduldeten, aber nie kirchenrechtlich bestätigten Konvent Untermain der Marianer des Deutschen Ordens, in dem vom 12. November 1953 bis zum 31. Oktober 1964 existenten Patronatskomitee zur Förderung der Herausgabe des Buches von Hochmeister P. Dr. Marian Tumler über den Deutschen Orden und in dem am 7. Oktober 1957 zum Zwecke der materiellen Hilfeleistung für den Deutschen Orden als weltlicher Verein mit Sitz zunächst in München und später in Frankfurt errichteten, seine Mitglieder als Deutschherren bezeichnenden Deutschherrenbund, Gesellschaft der Freunde und Förderer des Deutschen Ordens Sankt Mariens zu Jerusalem e.V. Dem Deutschherrenbund, in den auch Nichtkatholiken aufgenommen werden können, bestätigte Hochmeister P. Dr. Marian Tumler am 2. Dezember 1957, daß sich seine Ziele mit den Regeln des Deutschen Ordens decken. Der Deutschherrenbund erwarb sich insbesonders hohe Verdienste durch den 1960 / 1965 erfolgten Wiederaufbau der kriegszerstörten Kommende Sachsenhausen in Frankfurt am Main.
Um für das auf ordensrechtlicher Grundlage geschaffene Familiareninstitut eine sichere Rechtsgrundlage zu erhalten und so den Deutschen Orden gegen Bestrebungen zu schützen, das Statut für die Familiaren ändern oder verwässern zu wollen, strebte der Deutsche Orden nach einer päpstlichen Approbation des Familiareninstituts. Diese wurde am 22. September 1965 von Papst Paul VI. erteilt. Durch die päpstliche Approbation wurde das Familiareninstitut ein Institut päpstlichen Rechts. Aufgrund des Apostolischen Statuts der Familiaren sind das Familiareninstitut als Ganzes und seine in Balleien und Komtureien bestehenden Gliederungen kirchenrechtliche öffentliche Vereinigungen. Der Deutsche Orden besaß das Recht, das nur als Rahmeninstitut erlassene päpstliche Familiarenstatut durch auf Ordensrecht beruhende Durchführungsbestimmungen zu ergänzen. Von diesem Recht hat der Deutsche Orden letztmals durch die vom Generalkapitel am 22. bis 31.08.2006 beschlossenen Durchführungsbestimmungen zum Apostolischen Statut der Familiaren Gebrauch gemacht.
Die Familiaren müssen einen einwandfreien Lebenswandel führen, sich eines guten Rufs erfreuen und um den Deutschen Orden (bereits) verdient gemacht haben. Die Verdienste um den Deutschen Orden werden allerdings in der Regel erst nach der Aufnahme als Familiare erwartet. Die Familiaren sind dem rechtlich nur aus den beiden Zweigen der Brüder und Schwestern bestehenden Deutschen Orden adskribiert (nicht: affiliiert). Die eine besondere Klasse der Familiaren bildenden, der Zahl nach wenigen hochgestellten Wohltäter sind dem Deutschen Orden gleichsam wie Ehrenritter assoziiert. Die Familiaren und Ehrenritter gehören daher nicht rechtlicherweise, wohl aber geistlicherweise zum Deutschen Orden.
In Deutschland verschränkte sich die dort am 10. Dezember 1966 errichtete Ballei der Familiaren weitgehend mit dem bereits bestehenden Deutschherrenbund, Gesellschaft der Freunde und Förderer des Deutschen Ordens Sankt Mariens zu Jerusalem e.V. Die Verschränkung erfolgte mittels einer Personalunion in Führung und Mitgliedschaft, ohne daß jedoch rechtlich und tatsächlich zwischen beiden Institutionen eine Identität besteht. Die Dualität der beiden Institutionen machte für Deutschland für die Ballei ein eigenes Balleistatut erforderlich. Dieses wurde am 10. Dezember 1966 erlassen und am gleichen Tag von Hochmeister P. Dr. Marian Tumler genehmigt.