Viele wissen es nicht: der Deutsche Orden war nicht nur an den Kreuzzügen im Mittelalter beteiligt, sondern existiert auch heute noch und wirkt mit seinen drei Instituten (Brüder, Schwestern, Familiaren) im sozial-karitativen Bereich. Seit Napoleon die Existenz des Ordens 1809 in den Rheinbundstaaten vor 200 Jahren beendet hatte, war ein Fortbestand nur noch in der Habsburgermonarchie Österreich möglich. Erst durch die Vertreibungen nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Orden wieder in Deutschland ansässig.
Deutschordensbrüder der Südtiroler Provinz um 1910 - Foto: Zeitschrift Deutscher Orden
Die letzten 200 Jahre waren sicherlich die schwersten für den Orden. Erst nach jahrzehntelangem Stillstand konnte der Orden durch die Fürsprache von Staatskanzler von Metternich in den 1830er Jahren wieder aufleben, Kaiser Franz I. wurde Schutz- und Schirmherr des Ordens. Seitdem nahm die Zahl der Ordenspriester wieder zu, sie betreuten Pfarreien und versahen seelsorgliche Dienste. Ein 1841 neu initiiertes Schwesterninstitut übernahm die Aufgaben Krankenpflege und Unterricht für Mädchen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert setzte der Orden Schwerpunkte in ziviler Krankenpflege und im Sanitätsdienst, nun finanziell unterstützt von Marianern und Ehrenrittern.
Nach dem Ersten Weltkrieg geriet der Orden in eine seiner größten Krisen. Durch das Habsburger-Gesetz, das alle Herrschaftsrechte der Habsburger aufhob, ihr Vermögen beschlagnahmte und ihre Mitglieder des Landes verwies, geriet der Deutsche Orden, den man als Hausorden der Habsburger ansah, in höchste Gefahr. Ihm drohte die Säkularisation. Dies konnte nur abgewendet werden, indem man ihn in einen klerikal-geistlichen Orden unter der Leitung eines priesterlichen Hochmeisters umwandelte. Aus diesem Grunde sah sich Hochmeister Erzherzog Eugen von Österreich 1923 dazu gezwungen, vom Hochmeisteramt zurückzutreten. Sein Nachfolger wurde Bischof Norbert Klein. Der Orden war gerettet. Der Deutsche Orden wurde 1938 in Österreich, dann in der Tschecheslowakei aufgehoben und enteignet. Nach der deutschen Besetzung verlor er in Jugoslawien seinen Besitz. Ordensbrüder und -schwestern wurden in Gefängnissen oder in Konzentrationslagern inhaftiert. Einige kamen um. In Südtirol litt er unter dem Faschismus.
Einerseits wurde der Orden in den Rheinbundstaaten aufgehoben, andererseits wurde er in Preußen neu entdeckt. Dies zeigen der Wiederaufbau der Marienburg und die Stiftung des Eisernen Kreuzes von 1813. Der preußische Historiker Heinrich von Treitschke proklamierte, dass das Königreich Preußen auf dem Deutschordensstaat des Mittelalters errichtet sei. Später wurde die Ordensgeschichte in den Dienst des wilhelminischen Kaiserreiches gestellt. Gleichzeitig pflegten auf der Gegenseite Polen und Russland Ressentiments gegen den Deutschen Orden und die Deutschen.
Heimatvertriebene Brüder und Schwestern aus der Tschecheslowakei brachten nach 1945 den Deutschen Orden nach 140 Jahren wieder nach Deutschland. Die Schwestern gründeten ihr Mutterhaus in Passau. Für die Brüder ging der Wiederbeginn von Darmstadt aus, heute haben sie ihren Hauptsitz in Weyarn in Oberbayern. Die Priesterbrüder bauten die Deutschordenswerke, einen Sozialkonzern, auf, der heute in rund 60 Häusern mit 2.400 Mitarbeitern wirkt. Nach 1945 unterstützte Hochmeister Marian Tumler die Idee, Laien als Familiaren an den Orden zu binden.
Investitur 2005
Die Familiaren, die in Deutschland im Deutschherrenbund zusammengefasst sind, unterstützen den Deutschen Orden in seinem Wirken. Sie bauten die zerstörte Kommende Frankfurt Sachsenhausen nach dem Krieg als neues Ordenszentrum wieder auf. Den Deutschen Orden gibt es heute nicht nur in Deutschland, sondern auch noch in Österreich, Italien, Tschechien, der Slowakei, Slowenien und in Belgien. Generaloberer ist der Hochmeister, der in Wien residiert.
Investitur von Bundeskanzler Konrad Adenauer als Ehrenritter, 1958