Die Deutschordensschwestern – eine 800-jährige Weggeschichte
zusammengefasst von Sr. Mirjam Müller
Wegmarke 1:
1190 begann der Weg: Frauen und Männer aus Lübeck und Bremen haben den Auftrag der Stunde erkannt. In den Wirren des 3. Kreuzzugs erkannten sie die Notwendigkeit in Akkon, um mit den Segeln ihrer Schiffe ein Zeltspital für die verwundeten Soldaten zu errichten. Sie brachen die Brücken hinter sich ab (die Schiffssegel), um Brücken zum Leben für andere zu bauen (das Feldlazarett).
Diese Laien waren es, die die Hospitalbruderschaft gründeten und die dadurch begannen Ordensgeschichte als radikal gelebtes Evangelium zu schreiben. Damit ist auch grundgelegt, dass es im Deutschen Orden einen männlichen und weiblichen Zweig gibt, Männer und Frauen, eine „Kirche im Kleinen".
Wegmarke 2:
Im Hochsommer des Jahres 1269 klopfte eine fromme Kölner Bürgerin namens Hildegund an die Tür des Koblenzer Komturs Walter. Seit einiger Zeit lebte sie als Witwe und bat, in den Deutschen Orden aufgenommen zu werden. Der Komtur gewährte ihr die Bitte. Hildegund ist eine der ersten Schwestern, die wir namentlich kennen und die zu den „Schwestern vom Deutschen Haus Sankt Mariens in Jerusalem“ gehörte. Vom mittelalterlichen Schwesterninstitut sind nur spärliche Quellen erhalten. Neben dem Brüderzweig sind uns Niederlassungen der Schwestern in Sterzing, Utrecht , Hitzkirch, Beuggen, Bern und Frankfurt/M. bekannt. Fest steht, dass im Orden der Dienst an den Armen und Kranken gleichberechtigt neben der Glaubensverbreitung und - verteidigung stand und dass dazu wegen der „besseren Eignung für den Pflegedienst“ Halbschwestern und Schwestern in die Hospitalbruderschaft aufgenommen wurden.
Wegmarke 3:
Jahrhunderte gingen ins Land. Während der Reformation verlieren sich die Spuren der Deutschordensschwestern im St. Katharinen – Kloster in Frankfurt/M. Der Ordensstaat wurde 1525 in ein weltliches Herzogtum umgewandelt. Unter den Schlägen Napoleons zerbrach das alte „Hl. Römische Reich deutscher Nation“. Der Orden verlor zur Gänze alle seine Güter im Reich, nur noch in den österreichischen Erblanden konnte er fortbestehen.
Wegmarke 4:
In der Mitte des 19. Jh. fand der Ritterorden eine tiefgreifende Erneuerung unter dem Hochmeister Erzherzog Maximilian und durch den Priester P. Peter Rigler. Zur Wiederbelebung des karitativen Wirkens des Ordens wurde das mittelalterliche Institut der „Schwestern vom Deutschen Haus Sankt Mariens zu Jerusalem“ erneuert. Der Hochmeister erbat sich im Jahr 1837 Schwestern aus dem Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern in Zams, die er mit den Kandidatinnen, die sich bald meldeten, im Edelsitz Lanegg in Lana unterbrachte. Bereits 1841 wurde ein weiteres Kloster in Troppau/ Schlesien gegründet.
Wegmarke 5:
In den folgenden Jahren gründete der Ritterorden verschiedene Krankenhäuser und errichtete auf mehreren Kriegsschauplätzen Feldspitäler. Für die Schwestern war das eine Erweiterung ihrer Tätigkeit, übernahmen sie doch die Krankenpflege und die Betreuung der Verwundeten.
Historisch nachgewiesen ist ihr segensreicher Sanitätsdienst in den Kriegen 1859 (Österreich gg. Sardinien-Piemont), 1864 im Deutsch-Dänischen Krieg und 1866 im Preußisch-österreichischen Krieg (Stichwort: Königsgrätz) Bekannt ist auch eine herausragende Laudatio auf die Schwestern, die im Schleswig - holsteinischen Krieg an der Front und in den Lazaretten ihr Leben eingesetzt haben. Sr. Dr. Erentraud Gruber berichtet in ihrem Buch: „Allein im Feldspital 4, das im Ersten Weltkrieg an der Ostfront eingesetzt war, sind in den ersten 18 Kriegsmonaten
20.000 Soldaten gepflegt worden, gestorben sind in diesem Zeitraum „nur“ 374“.
Deutschordensschwestern vor dem Abmarsch eines Spitalzuges 1914
Wegmarke 6:
Mitten in der Aufbauarbeit trafen den Orden die Wirren des Zweiten Weltkrieges. In Südtirol und in Mährisch - Schlesien hatten die Schwestern bereits unter den faschistischen Machthabern eine empfindliche Einschränkung ihrer unterrichtlichen Tätigkeit hinzunehmen. In der Tschecho-slowakei wurden zudem alle deutschsprachigen Schwestern ausgewiesen und der Orden aufgehoben.
Wegmarke 7:
Beim Rückzug der verwundeten Soldaten aus der Tschechoslowakei ab Januar 1945 und spätestens bei der Vertreibung der deutschen Schwestern aus dem Sudetenland zeigt sich der Pioniergeist der Schwestern erneut. – Exodus im 21. Jh.! Ca. 200 Schwestern mussten sich auf Heimatsuche machen, Österreich und Bayern nahm sie auf. Die Somme – Kaserne (ehemaliges St. Nikolakloster) sammelte viele Vertriebene und Flüchtlinge – 4400 an der Zahl, unter ihnen schon wieder in pflegerischen und unterrichtlichen Tätigkeiten - unsere Deutschordensschwestern!
Wegmarke 8:
Wie die ersten Christen, die vom „neuen Weg“, haben die Schwestern vor 60 Jahren dem in Deutschland seit Napoleon aufgelösten Deutschen Orden wieder „Fleisch und Blut“ gegeben. Aus dem Senfkorn wurde ein stattlicher Baum: Schulen, Altenheime, Kolpinghäuser, Krankenhäuser, Kindergärten, Kinder - und Jugendheime wurden Apostolatsfelder der Schwestern. Ihre Arbeit ist bis heute ein Diakonatsdienst im ursprünglichen Sinne.
Wegmarke 9:
Die in Troppau verbliebenen 71 tschechischen Schwestern erwartete 1952 unter den kommunistischen Machthabern im Rahmen der berüchtigten K 4 Aktion ein Schauprozess mit nachfolgendem Terror: Gefängnis, Verschleppung und Internierung.
Erst 1991 kehren einige wenige Überlebende zurück, die dem Mutterhaus Troppau wieder ein religiöses Profil zurückgewinnen wollen. Die Trägerschaft eines kirchlichen Konservatoriums ermöglicht vielen jungen Menschen den Zugang zu Religion und Gregorianik.
Auch in der Slowakei und in Slowenien glückte den Schwestern ein bescheidener Wiederanfang religiöser Wirksamkeit.
Wegmarke 10:
Viele Fragezeichen stehen auf der nächsten Wegstrecke – die ausbleibenden Interessentinnen zwingen uns unsere Lebensform zu überprüfen und nach neuen Wegen zu suchen. Es bleibt die Hoffnung, dass auch dieser Weg von Sinn erfüllt ist.
Seit das II. Vatikanische Konzil das Bild vom „Volk Gottes auf dem Weg“ wiederentdeckte, erhält der Einsatz in unseren christlichen Handlungsfeldern theologisch wie sozial eine neue Relevanz: Die demographische „Karriere nach unten“ mit der katastrophalen Auswirkung auf unsere geistlichen Berufe kann eine Chance sein, die es zu nutzen gilt! Wir sind unterwegs mit „Menschen auf dem Weg“, verlassen Gewohntes und vertrauen, dass dunkle Wegstrecken zum Lichte führen.
Numeri 10,29:
Mose sagte zu Hobab, dem Sohn des Medianiters Reguel, seines Schwiegervaters: Wir brechen auf zu dem Ort, von dem der Herr gesagt hat: Ihn gebe ich euch. Geh mit uns! Wir werden dir Gutes tun, denn der Herr hat zugesagt, Israel Gutes zu tun.