Frankfurter Foren mit Jubiläum
Die Familiarenballei Deutschland konnte am 19. November ein besonderes Jubiläum feiern. Sie hatte zu den 20. "Frankfurter Foren des Deutschen Ordens zu Fragen der Zeit" in die Räumlichkeiten der Deutschordenskommende in Frankfurt-Sachsenhausen eingeladen. Diese Vortragsveranstaltung findet seit 2002 in jedem Jahr statt, immer am 19. November, dem Festtag der heiligen Elisabeth von Thüringen, der Patronin des Ordens. Nur einmal musste man aussetzen – unfreiwillig im Jahr 2020 wegen der damaligen Corona-Beschränkungen.
Spiritus Rector der Frankfurter Foren war Altkomtur Gerhard Ley, der hochbetagt dem Jubiläum beiwohnte. Mit den Frankfurter Foren wollten die Familiaren des Deutschen Ordens bewusst an die Öffentlichkeit gehen, um ihrer Berufung gerecht zu werden, "die weltliche Ordnung mit christlichem Geist zu beleben". Den ersten Vortrag hielt Professor Dr. Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, mit dem Thema "Deutschland ohne Wahl – kein Aufschwung ohne Werte". In den Jahren darauf wurde zu Bioethik, dem Gottesbezug in der europäischen Verfassung, warum die Gesellschaft die Familie braucht, zur Kultur des Todes in Europa referiert. Im Elisabethjahr 2007 sprach der ungarische Erzbischof von Esztergom-Budapest zu "Elisabeth von Thüringen – eine europäische Heilige", darauf der Abt der Dormitio-Abtei über "Jerusalem - Stadt des Friedens?" und es folgte Ordensforschung mit Lokalkolorit "Der Deutsche Orden zwischen Luther und Napoleon und seine Beziehung zur Freien Reichsstadt Frankfurt am Main". Schon im Jahr 2010 war "Gender – eine Theorie auf dem Prüfstand" ein Thema. Darauf "Muslime in Deutschland. Eine multireligiöse Gesellschaft – wie geht das?" und auch "Europa wird am Hindukusch verteidigt – Erfahrungen eines Militärseelsorgers in Afghanistan" und natürlich das Thema Lebensschutz mit Weihbischof Andreas Laun aus dem Erzbistum Salzburg. 2014 dann Erzbischof Alfons Nossol aus Oppeln (Schlesien), der große Versöhner, zu "Deutsch-polnische Freundschaft nach 1945", im Jahr darauf Martin Mosebach, der Georg-Büchner-Preisträger, mit dem exklusiven Thema "Glanz und Elend der katholischen Literatur", Ehrenritter Professor Dr. Udo Arnold zu "Der Deutsche Orden und die Reformation" – interessant deshalb, da gerade in Hessen der Deutsche Orden trikonfessionell gewesen ist. Zuletzt dann Seine Kaiserliche Hoheit Prinz Dr. Asfa-Wossen Asserate, der zu Afrika sprach, Bischof Rudolf Voderholzer aus Regensburg zu "Fritz Gerlich, ein ritterlicher Weltchrist im Kampf gegen Hitler" und Uwe Becker, in Frankfurt Bürgermeister gewesen und jetzt Staatssekretär in der Hessischen Landesregierung, zu "Antisemitismus heute – Vom 'Nie wieder' zum 'Schon wieder' ".
Zur Jubiläumsveranstaltung konnte Balleimeister Thomas Jünger gut 170 Gäste des öffentlichen Lebens, der Wirtschaft, der Kirchen und der Politik aus dem Rhein-Main-Gebiet begrüßen – darunter auch die gesamte Balleileitung und die Komture der Komtureien "An Rhein und Main" sowie "An der Donau", Dr. Dirk Hohn und Hans Pschorn, sowie die Vertreter der befreundeten Ritterorden. Der Rittersaal war wieder einmal bis auf den letzten Platz gefüllt.
Vortragende war dieses Jahr Frau Professor Dr. Susanne Schröter, Lehrstuhlinhaberin am Institut für Ethnologie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und Direktorin des von ihr gegründeten „Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam“. Frau Professor Schröter weist eine lange Publikationsliste auf, ist in der überregionalen Tagespresse ständig präsent und sie ist streitbar. Mit ihrem Einsatz für Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit tritt sie gegen die Cancel Culture gerade an Hochschulen an. Und sie möchte die Leitideen bürgerlich-liberaler Politik für das 21. Jahrhundert fruchtbar machen, nämlich individuelle Freiheit und offene Gesellschaft, Eigenverantwortung und Subsidiarität, Wettbewerbsorientierung und Technologieoffenheit.
"Global gescheitert? Der Westen zwischen Anmaßung und Selbsthass" war ihr Vortragsthema. Selten schien der Westen so geschlossen wie zu Beginn des Ukrainekriegs. Die Werte der Freiheit und Demokratie galt es gegen ein autokratisches System zu verteidigen. Doch hinter der vermeintlichen Geschlossenheit zeigten sich schnell die ersten Bruchstellen. Wie werden wirtschaftliche Zwänge mit politischen Zielen in Einklang gebracht? Wie viel sind dem Westen die eigenen Ideale wert? Dass sich dahinter ein tiefgreifendes strukturelles Problem des Westens verbirgt, zeigte Frau Professor Schröter auf. Angesichts der jüngsten Konflikte in der Ukraine, in Afghanistan und Mali sowie der Planlosigkeit westlicher Regierungen im Umgang mit Migrationsbewegungen, Islamismus und Cancel Culture diagnostizierte sie einen zwischen Hybris und Selbsthass gefangenen Westen, der unentwegt die Werte der Demokratie beschwört, sie aber gleichzeitig immer dann verrät, wenn es darauf ankommt. Der Westen befinde sich auf dem besten Weg, die eigene innen- wie außenpolitische Glaubwürdigkeit zu verspielen? Analytisch klug und thesenstark gab die Referentin die Antwort, wie der Westen seine Glaubwürdigkeit zurückgewinnen könne. Der Westen tue nämlich gut daran, sich zu erinnern, was seine eigenen Wurzeln sind und worauf sein Gesellschaftssystem basiert, das den Bürgern bis zum heutigen Tag die freie Entfaltung ihrer Potenziale und Neigungen ermöglicht. Nur wer die Freiheitsrechte im eigenen Land stark mache, könne freiheitlich nach außen wirken – wer die Freiheit leichtfertig aufgebe, verspiele sein wichtigstes Gut.
Den Abend hatte ein feierliches Hochamt zum Fest der heiligen Elisabeth in der übervollen Deutschordenskirche eröffnet, dem der Geistliche Assistent der Ballei Deutschland, P. Jörg Weinbach, vorstand. In seiner Predigt skizzierte Pater Jörg die heilige Elisabeth als „gotische“ Frau, während wir heute eher „barocke“ Menschen seien. Den Unterschied machte er durch den Vergleich zwischen barocken und gotischen Hochaltären klar. Erstere hätten oft eine besonders prächtige Front, würden auf der Rückseite aber meist wie Bretterverschläge aussehen. Dagegen seien gotische Altäre auch auf der Rückseite schön bemalt, denn die Gotik folge dem Gedanken: „Gott sieht alles!“ So habe auch Elisabeth gewusst, dass es nicht bei der Liebe zum Nächsten, nicht nur um die Gabe von Almosen oder das Stiften einer sozialen Einrichtung ging, was für eine Person ihres Standes üblich war, sondern um eine echte Hinwendung des Herzens. Außerdem habe sie als gotischer Mensch die Heilige Schrift wirklich ernstgenommen, so auch das Tagesevangelium (Mt 25,31–46) mit der Kernaussage: „Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ Da sie die sich selbstaufopfernde Liebe Christi, die sich am Kreuz offenbare, mit Liebe beantworten wollte, habe sie nicht nur etwas gegeben, sondern alles – ja, sich selbst. Von diesem Beispiel sollten auch wir uns leiten lassen, denn Elisabeth habe vorgelebt, was die Lesung (1 Joh 3,14–18) gefordert habe: „Wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit.“
Beim abschließenden Empfang in den Räumen der Kommende konnten die Gäste bei gutem Wein und belegten Brötchen über all das Gehörte lebhaft diskutieren sowie Kontakte pflegen. Alle waren sich einig, die Frankfurter Foren müssen fortgesetzt werden.
Thomas Jünger FamOT
Balleimeister • Deutschherrenmeister