Helfen – Heilen – Wehren
Immer wieder werden als Motto des Deutschen Ordens die Worte „Helfen – Heilen – Wehren“ genannt. Viele glauben, dass dieses Motto vor langer Zeit entstanden sei.
„Helfen und Heilen“ trifft sicher gut die Absicht der Gründungsväter, der Überlieferung nach Lübecker und Bremer Kaufleute, die während des dritten Kreuzzuges vor Akkon 1190 ein Feldlazarett gegründet haben, um kranken und verletzten Pilgern und Kreuzfahrern helfend und heilend beizustehen.
Denn das Wesen der Kirche drückt sich in den sich gegenseitig bedingenden Aufgaben und Auftrag zur Verkündigung von Gottes Wort und dem zur Feier der Sakramente sowie in dem Dienst der Liebe (diakonia) aus. „Der Liebesdienst ist unverzichtbarer Wesensausdruck ihrer selbst“. Die sozial-caritative Sendung der Kirche setzt kein Weiheamt voraus, sie ist durch Taufe und Firmung allen Gläubigen übertragen.
Dem Wort wird nur geglaubt, wenn es durch die Tat und das Leben bezeugt wird. Schon beim Mönchsvater Benedikt bildeten die Sehnsucht nach Gott und die helfende und beherbergende Gastfreundschaft gegenüber Menschen eine Einheit. Entsprechend entfaltet sich die organisierte Caritas im 3. Jahrhundert durch die römische Armenhilfe des Diakons Laurentius (+258), seit der Mitte des 4. Jahrhunderts durch die Mönchsklöster in Ägypten oder die Diakonieeinrichtungen Gregors des Großen (+604) in Rom. Besonders zu erwähnen sind als Caritas-Väter Johannes Chrysostomos und Basilius der Große. Auf Basilius (330-379) gehen die „Basiliaden“, die Einrichtungscaritas der Klöster in Ost und West sowie die Gründung der späteren adeligen Laienorden, beispielsweise des heiligen Johannes, des heiligen Lazarus, des heiligen Georg sowie der bürgerlichen sozialen Bruderschaften aus Priestern und Laien im Hochmittelalter zurück, die die ersten Helfer wie Träger caritativer Häuser für Fremde und Arme waren und schon damals die pflegerische Hilfe mit einer geistlichen Ausrichtung verbanden.
„Wehren“ im Sinne des für den Glauben Eintretens, Orientierung Gebens und Ungutes Abwehrens, des Mitwirkens an der öffentlichen Bewusstseinsbildung, mag an den Ritterorden erinnern, zu dem sich die aus der Hilfsbereitschaft Lübecker und Bremer Kaufleute entstandene Hospitalgemeinschaft später entwickelt hat. Zur Militarisierung des Deutschen Ordens kann auf Udo Arnold, Vom Feldspital zum Ritterorden. Militarisierung und Territorialisierung des Deutschen Ordens (1190 – ca. 1240), in Deutscher Orden und Preußenland. Ausgewählte Aufsätze anläßlich des 65. Geburtstages von Udo Arnold, herausgegeben von Bernhart Jähnig und Georg Michels, Marburg 2005, Seite 133 – 142 verwiesen werden. Allerdings ist dann 1923 der Deutsche Orden wieder von einem Ritterorden in einen rein geistlichen Orden umgewandelt worden. Zudem begreifen wir heute das Kreuz, dass unseren Mantel schmückt, eher als Aufforderung Christi zur Nachfolge und täglichen Kreuznahme (Lk 9,23–27) sowie zum Dienst der Liebe (diakonia).
Die Entstehung des Mottos, obwohl sich „Helfen und Heilen“ nahtlos in die Geschichte der christlichen Caritas einfügt, ist erst neueren Datums: Als Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Udo Arnold, Ehrenritter des Deutschen Ordens, im Jahre 1968 sechs Manuskripte zur Bearbeitung für die Reihe „Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens“ übernahm, gehörte auch das Manuskript für Band 29 dazu. Der damalige Verleger der Reihe fand den geplanten Titel für diesen Band „Der Deutsche Orden und sein Medizinalwesen in Preußen“ für zu sperrig und schlug stattdessen „Helfen und Heilen“ für eine Sonderausgabe für unseren Orden vor. Leider ist nicht mehr bekannt, woher der Verleger die Inspiration hatte. Bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wurden diese beiden Worte hin und wieder in der Literatur verwendet, jedoch ohne direkten Zusammenhang mit dem Orden.
Im Laufe der Zeit nach 1968 bürgerte sich „Helfen und Heilen“ immer mehr als Motto des Ordens ein. Später wurde das „Wehren“ hinzugefügt, was sich allerdings nicht allgemein durchgesetzt hat.
Eine mittelalterliche Entstehung des Mottos, wie von einigen vermutet, lässt sich nicht belegen. Das zeigt sich auch in den Studien zum Selbstverständnis des Ordens im Mittelalter von Cfr. Dr. Marcus Wüst, erschienen als Band 73 der Reihe „Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens“.
Diese Reihe „Quellen und Studien“ besteht noch heute und ist sicher für jedes Ordensmitglied lesenswert. Bald erscheinen weitere Bände: Band 91 Die Deutschordenskommende St. Katharina in Köln im 13. Jahrhundert, Band 92: Vom Hochmeister zum Direktorium. Die Veränderungen der Binnenstruktur des Deutschen Ordens im 16. und 17. Jahrhundert.
Es ist eine großartige Fügung, dass der Deutsche Orden sein Ursprungscharisma seit vielen Jahrzehnten wieder entdeckt hat. Kranke, auf verschiedene Weise verletzte oder verwundete Menschen finden Aufnahme in Krankenhäusern, Suchthilfeeinrichtungen, Altenheimen, die von Brüdern, Schwestern und Familiaren betrieben und betreut werden. Sicherlich haben die Gründungsväter vor Akkon nicht an ein Motto gedacht, gleichwohl stand „Helfen und Heilen“ im Mittelpunkt ihres Tuns. Heute sind diese beiden Worte zu einem Leitwort geworden, caritatives Handeln gehört, damals wie heute, untrennbar zum Deutschen Orden dazu.
Gerne steht die Wissenschaftliche Vereinigung für den Deutschen Orden e. V. unter der E-Mail-Anschrift Vorstand@Wivedo.de für weitere Auskünfte, auch über die Reihe „Quellen und Studien“ zur Verfügung.
Prof. Dr. Michael Els FamOT
Vorsitzender der Wissenschaftlichen Vereinigung