Kriminalfälle im Deutschen Orden – eine Herausforderung für die Gemeinschaft
Der Hochmeister wird ermordet! Das Altarsakrament der Eucharistie wird öffentlich geschändet! Ein Komtur wird notorisch straffällig! Über diese Kriminalfälle aus der Geschichte des Deutschen Ordens berichtete Cfr. Dr. Marcus Wüst am 28. März in einem Zoom-Vortrag der Wissenschaftlichen Vereinigung für den Deutschen Orden.
Cfr. Prof. Dr. Michael Els, Vorsitzender der Wissenschaftlichen Vereinigung, begrüßte zu Beginn den großen und gespannten Teilnehmerkreis. Auch zu diesem Zoom-Vortrag hatten sich Mitglieder der Vereinigung sowie Familiaren aus Belgien, Deutschland und Österreich zugeschaltet, auch Hochmeister Frank war dabei.
Dr. Wüst, der über das Thema „Studien zum Selbstverständnis des Deutschen Ordens im Mittelalter“ bei unserem Ehrenritter, Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Udo Arnold promoviert hat, führte kurz in die Statuten und das damals geltende Recht des Deutschen Ordens ein. Es galt der Grundsatz: „Kriminelles Fehlverhalten wird innerhalb der Ordensgemeinschaft geahndet.“
Im Jahre 1374 kam es zu dem unerhörten Vorgang einer Hostienschändung Dieser Vorgang ereignete sich in der Komturei Brandenburg, Nähe Königsberg. Graf Nassau, Ritter des Deutschen Ordens, nahm während einer Eucharistiefeier die konsekrierten Hostien vom Altar und warf sie zu Boden, ein ungeheuerlicher Vorgang. Für einen gläubigen Katholiken ist dieser Hostienfrevel ein unverzeihliches Vergehen und entsprechend wurde diese Tat bestraft. Johannes von Posilge berichtet in seiner Chronik, dass der Ordensritter in einen Turm geworfen wurde, wo er bis zu seinem Tode gefangengehalten wurde.
Allgemein bekannt sind die Geschichten, die sich um den „Lügenbaron“ Münchhausen ranken. Kaum bekannt ist, dass mehrere Mitglieder dieses Adelsgeschlechts Ritter des Deutschen Orden waren. Jasper von Münchhausen, Ritter des Deutschen Ordens und Komtur von Bremen, war nicht nur ein schlechter Verwalter der ihm anvertrauten Kommende, er hatte auch eine hohe kriminelle Energie. Ihm wurde unter anderem vorgeworfen: einen anderen Ordensritter schwer verwundet, vielleicht sogar erschlagen zu haben, ein Betrüger zu sein, einen gestohlenen Ochsen versteckt und mehrere Stiere gestohlen zu haben, seine Schulden nicht zu begleichen, Menschen zu entführen, die Seeräuberei zu begünstigen, Diebesgut zu verstecken, als Strandräuber aktiv zu sein, zu Münzfälschungen angestiftet bzw. diese unterstützt zu haben. Auch der Vorwurf der Brandstiftung wurde gegen ihn erhoben. Hinzu kam der Vorwurf, den Zölibat gebrochen und seinen Vorgesetzten im Orden ungehorsam zu sein. Nach nur sechs Jahren als Komtur von Bremen wurde er im Jahre 1506 vom livländischen Meister wegen des Vorwurfs der Brandstiftung abgesetzt. Allerdings hatte Jasper von Münchhausen viele Verwandte im Orden, die dafür sorgten, dass er von 1507 bis 1515 wieder Komtur in Bremen war, bis er erneut abgesetzt wurde. Zwei Jahre später betraute man ihn wieder mit dem Amt des Komturs in Bremen, das er bis zu seinem Tod im Jahre 1519 innehatte.
Am 18. November 1330 ereignete sich auf der Marienburg, dem damaligen Sitz des Deutschen Ordens, ein unglaublicher Vorfall. Werner von Orseln, 17. Hochmeister des Deutschen Ordens, wurde nach einem Gottesdienst beim Verlassen der Konventskirche, vor der Goldenen Pforte, von Johannes von Endorf, Ritterbruder aus Memel, erstochen. Hochmeister Werner von Orseln (um 1280-1330), unter seiner Regentschaft begann der Bau des Königsberger Doms, war der Überlieferung nach ein sehr ernster und tieffrommer Ordensritter. Der Mord, als Motiv nahm man eine Zurechtweisung des Ordensritters durch den Hochmeister an, wurde mit der Geisteskrankheit des Mörders erklärt. Die Quellen berichten nicht, was mit dem Mörder geschehen ist. Hochmeister Werner wurde im Dom von Marienwerder beigesetzt, sein Grab im Jahre 2007 dort wiedergefunden.
Mit herzlichen Worten dankte Professor Els Dr. Marcus Wüst für den spannenden Vortrag, der tiefe Einblicke in die Ordenshistorie eröffnet hat. Einige weitergehende Fragen wurden kompetent durch Cfr. Dr. Wüst und ergänzend Prof. Dr. Arnold beantwortet. Prof. Dr. Els wies abschließend darauf hin, dass wir aus dem Vortrag dankbar lernen könnten, wie gut wir doch mit unseren Komturen heute bedient seien. Auch die Lebenserwartung unserer Hochmeister läge zurzeit signifikant höher als im Mittelalter, was wohl auf der menschenfreundlicheren Auslegung unserer Ordensregeln beruhen dürfte.
Der nächste Zoom-Vortrag der Wissenschaftlichen Vereinigung ist am Mittwoch, dem 3. Mai 2023, um 19:00 Uhr angesetzt. Dann spricht Hochmeister Frank zu dem Thema „Wer glaubt, ist nie allein“. Den Zugangscode für diesen Zoom-Vortrag kann man, wenn man ihn verlegt haben sollte, per E-Mail an Vorstand@wivedo.de nochmal erhalten.
Monika Schulte FamOT