Gedanken zum Fest der heiligen Elisabeth
Gedanken zum Fest der heiligen Elisabeth
von P. Jörg Weinbach OT
Geistlicher Assistent der Ballei Deutschland
Vor einigen Jahren hatte ich die Möglichkeit, mit Novizen die Kopfreliquie der heiligen Elisabeth im Krankenhaus der Elisabethinnen in Wien zu besuchen und dort eine Andacht zu feiern. Da die Reliquie in der Hauskapelle der Schwestern aufbewahrt wird, die sich in der Klausur befindet, ist sie eigentlich nur an zwei Tagen im Jahr für die Öffentlichkeit zugänglich: am Festtag der Heiligen und am darauffolgenden Sonntag. Für uns aber machte die Oberin des Konventes eine Ausnahme. Vermutlich auch, weil die Reliquie den Schwestern von Hochmeister Maximilian, genannt der Deutschmeister, 1588 zur ewigen Aufbewahrung anvertraut wurde.
Nun kann man sich fragen, ob ein solcher Besuch überhaupt nötig ist. Dass Elisabeth gelebt hat, wird von niemanden in Zweifel gezogen, und da sie heilig ist, kann man sie überall um ihre Fürsprache anrufen. Ähnliches gilt für alle Heiligen und ihre Reliquien. Wieso also überhaupt Reliquienverehrung? Ist sie nicht Ausdruck einer magischen Vorstellungswelt, die es zu überwinden gilt? Sollte man sie als aufgeklärter Mensch nicht ablehnen?
Tatsächlich ist die Reliquienverehrung nicht heilsnotwendig. Aber das heißt nicht, dass sie nicht förderlich oder gar schädlich wäre. Schon die ersten Christen errichteten ihre Kirchen über den Gräbern der Märtyrer. Sie wollten ihnen nahe sein, weil sie wussten, dass die Märtyrer nahe bei Christus sind, bei ihm leben. Und sie hofften, dass die Märtyrer im Himmel für sie eintreten würden. Dies ist nämlich der eigentliche Grund der Heiligenverehrung in der Kirche. Nicht so sehr ihr heiligmäßiges Leben, das uns natürlich ein Vorbild sein soll, sondern das Wissen, dass die Heiligen unsere Fürsprecher bei Gott sind. Sonst würde es ja reichen, ihre Biographie zu lesen. Anrufen bräuchten wir sie aber nicht.
Die Reliquienverehrung ist nun nichts anderes als – so könnten wir sagen – fleischgewordene Heiligenverehrung. Als leibliche Wesen suchen wir nach Erfahrungen, die das rein Geistige übersteigen. Wir suchen das Geistige im Leiblichen. Dies entspricht der Grundstruktur des christlichen Glaubens: Gott offenbart sich nicht in philosophischen Weisheiten, sondern in der Geschichte. Zunächst in der Geschichte des Volkes Israel und dann in der Menschwerdung Christi. Er schenkt uns nicht nur die Heilige Schrift, sondern auch die Sakramente, in denen sich die Gnade Gottes durch äußere Zeichen mitteilt. Unser Gott macht sich erfahrbar, ist ein Gott zum Anfassen.
Bei unserem Besuch vertraute mir die Oberin der Elisabethinnen zum Abschied eine kleine Knochenreliquie der heiligen Elisabeth zur „ewigen“ Aufbewahrung in unserem Konvent an. Diese wird sich auf dem Altar befinden, wenn wir am 19. November in der Deutschordenskirche mit dem hochwürdigsten Herrn Hochmeister das Fest der heiligen Elisabeth, unserer Ordenspatronin feiern, die wie kaum eine anderer die christliche Nächstenliebe verkörpert. Ihre Fürsprache möge uns alle schützen und begleiten.
Ihnen und allen, die Ihnen am Herzen liegen, wünsche ich ein gesegnetes Elisabethfest.
Gebet zu Ehren der heiligen Elisabeth
Allmächtiger Gott,
du hast zu allen Zeiten Menschen berufen,
um deine Liebe, Zuwendung und
Menschenfreundlichkeit sichtbar zu machen.
Die heilige Elisabeth ist deinem Ruf gefolgt.
Du hast sie mit großer Liebe beschenkt und
ihr ein Herz gegeben für die Armen und
Notleidenden.
Sie ist den Armen eine Mutter und den
Kranken eine Schwester geworden und
hat in ihnen Christus, den Gekreuzigten,
erkannt.
Lass uns auf ihre Fürsprache hin all
denen zuwenden, die unserer Hilfe
bedürfen und denen es an Verständnis
und Nahrung fehlt. Mache uns zu Menschen,
deren Herz weit und deren Hände frei sind für
den Nächsten.
Amen.
Heilige Elisabeth, bitte für uns!