Erstes Konveniat des Jahres 2024
Komturei „An Mur und Mürz“ – 22. Jänner 2024
Beim ersten Konveniat der Komturei „An Mur und Mürz“ war der neue Grazer Dompfarrer und Stadtpfarrpropst Dr. Ewald Pristavec unser Gast. Nach der mit unserem geistlichen Assistenten Cfr. Alois Kölbl zelebrierten Messe in der Leechkirche nützte der neue Dompfarrer und Stadtpfarrpropst das Konveniat nicht nur als Gelegenheit, sich vorzustellen, sondern brachte ein äußerst interessantes Thema mit, welches ihm ein besonderes Anliegen war. Er erzählte uns über Jochen Klepper, der uns bis zum heutigen Tag kaum oder nicht bekannt war.
Jochen Klepper wurde 1903 als Sohn eines evangelischen Pfarrers in Schlesien geboren, von welchem er mit Jordanwasser getauft wurde. 1922 begann er, evangelische Theologie in Er-langen und dann in Breslau zu studieren. Er schloss das Studium allerdings nicht ab. Ab 1927 arbeitete er als Schriftsteller und fand eine Anstellung im evangelischen Presseverband Schlesien. Im Jahr 1929 kam es zu einem entscheidenden Punkt in seinem Leben, an dem er seine Frau Johanna Stein, eine verwitwete Jüdin, kennenlernte und heiratete. Seine Frau brachte zwei Töchter in die Ehe mit. Schon zuvor war er der SPD beigetreten. Die Verbindung mit der älteren jüdischen Frau wurde von seinen Geschwistern nicht goutiert.
Die Familie zog nach Berlin in einen Vorort. Ursprünglich fand er eine Anstellung beim Rundfunk. Ab 1932 führte er mit seiner Frau ein Tagebuch. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde es für ihn zunehmend schwieriger und er wurde aus dem Rundfunk entlassen. Davor hat er seinen ersten Roman „Den Kahn der fröhlichen Leute“ veröffentlicht, von dem er leben konnte. Er trat eine Teilzeitstelle im Ullstein Verlag an, wurde aber 1935 gekündigt. Durch die Nürnberger Rassengesetze, nach denen nicht nur seine Frau, sondern auch die beiden Töchter als Jüdinnen eingestuft wurden, geriet er zunehmend unter Druck. Anders als Dietrich Bonhoeffer war er kein Revoluzzer und versuchte, getragen von den Vorstellungen von Pflichterfüllung und von In-der-Schuld-stehen, das immer schwieriger werdende Leben zu meistern.
Mit Sorge sah er, ursprünglich kirchlich liberal in Erlangen sozialisiert, den Weg der evangelischen Kirche zwischen Anpassung und Gegenwehr. In dieser Zeit begann er einen neuen Roman „Der Vater“ über den preußischen Soldatenkönig Friedrich Willhelm I., einen König, der bei allem nach Gott fragt und sich als erster Diener im Staat begreift, sohin ein Gegenbild zu den Führern im Nationalsozialismus. Dies blieb vom herrschenden System nicht unbemerkt. Das Buch wurde allerdings nicht verboten, zumal es sich im preußischen Militär großer Beliebtheit erfreute. Dennoch wurde die Ausübung seines Berufes immer schwieriger. Er konnte sich jedoch nicht zur Flucht ins Ausland durchringen. Die Flucht gelang der älteren Tochter seiner Frau Johanna Stein, die kurz nach Kriegsausbruch nach England aus-reisen konnte. Der jüngeren Tochter gelang dies jedoch nicht.
Klepper wurde schließlich an die Ostfront eingezogen, wobei er in dieser Zeit eher aufblühte und von Gedanken getragen war, dass die treue Dienstverrichtung als Soldat seine Familie schützen werde. Dass diese Vorstellung nicht zielführend war, wurde ihm spätestens schmerzlich bewusst, als er als wehrunwürdig nach zehn Monaten entlassen wurde und auch zwei Versuche, wieder in den Wehrdienst zu gelangen, scheiterten. Alle Ausreisebemühungen für seine Tochter haben sich zerschlagen, wobei Klepper soweit ging, bei Adolf Eichmann vorzusprechen, natürlich vergeblich.
Beeindruckt davon, dass ein damals bekannter Schauspieler namens Joachim Gottschalk Suizid verübt hatte, war es schließlich so, dass Klepper im Anblick der unmittelbar bevor-stehenden Deportation seiner Frau und seiner jüngeren Stieftochter sich auch dafür entschied, aus dem Leben zu scheiden. Die Familie drehte in der Nacht vom 10. auf den 11. Dezember 1942 das Gas auf und schied aus dem Leben; dies vor dem Bild des segnenden Christus, den Klepper in den letzten Zeilen seines Tagebuches anruft.
Unser Vortragender rezitierte aus den Gedichten Kleppers, die als Lieder vorrangig in das evangelische Gesangsbuch, aber auch ins Gotteslob Aufnahme gefunden haben. Schon in der Predigt hatte es einen Vorgeschmack gegeben. Aus den beeindruckenden Texten Kleppers ergibt sich seine Grundeinstellung der „Sola gratia“, der Überzeugung, dass der Mensch alleine dank der Gnade Gottes das ewige Leben erlangt.
Der Abend hinterließ uns tief beeindruckt von den Texten Kleppers und dem Vortrag. Vor allem ließ er uns mit vielen Fragen zurück, existentielle Fragen der Beurteilung seines Selbstmordes, wohl auch in der Gewissheit, dass auch die eine oder andere Frage darunter gewesen sein könnte, auf die es keine Antworten gibt.
Alexander Singer FamOT
Stellvertretender Komtur