Gedanken zum Fest des heiligen Georg
In der Kraft des Glaubens!
von Pater Jörg Weinbach OT
Geistlicher Assistent der Ballei Deutschland
Schon seit etlichen Jahren gibt es eine Diskussion über das Motto unseres Ordens. Die einen sind der Meinung, dass nur es „Helfen und Heilen“ heißen soll. Andere ergänzen es um einen weiteren Aspekt zu „Helfen, Heilen, Wehren“. Unser Balleimeister Cfr. Thomas Jünger Fam.OT hat hierzu auf den geistlichen Ordenstagen im Februar dieses Jahres einen Vortrag gehalten, der bald in einem Sammelband erscheinen soll und bestimmt lesenswert ist. Hierbei hat er sich u. a. mit der Entstehung des Ordensmottos und der Frage auseinandergesetzt, ob der Begriff des „Wehrens“ in unserer Zeit noch vermittelbar ist.
Daher möchte ich diese Fragestellungen nicht beleuchten, sondern nach dem Inhalt dessen fragen, was „Wehren“ in der Tradition eines Ordens bedeutet, der 731 Jahre lang ein Ritterorden war. Eine Zeitspanne, die bei einer 834 Jahre langen Geschichte nicht ohne Einfluss auf die Spiritualität des Ordens geblieben sein kann. Der Prolog zum Ordensbuch hält hierzu fest: „Im Jahre 1198 wurde die Hospitalbruderschaft in einen Ritterorden umgewandelt ... . Dadurch erfuhr die Hilfe für Kranke und Pilger keine Minderung, vielmehr erweiterte sich der Aufgabenbereich des Ordens: In der mächtig werdenden Not der Zeit wurde ihm zusätzlich die Aufgabe zugewiesen, den christlichen Glauben gegen die Feinde Christi zu schirmen.“ (Ordensbuch Prolog 2)
Der Kern des „Wehrens“ im Sinne des Ordens ist also, „den christlichen Glauben … zu schirmen“ und zwar „gegen die Feinde Christi“. Dass dies heute nicht mehr mit militärischen Mitteln geschieht, sondern eine geistig-geistliche Auseinandersetzung meint, ist dabei selbstverständlich. Dementsprechend heißt es im Prolog über das heutige Selbstverständnis des Ordens: „Der Kampf mit dem Schwert war eine zeitgebundene Form, die nur aus dem Geist jener Zeit zu verstehen ist. Doch echte Ritterschaft kennt nicht nur diese zeitgebundene Form des Schwertkampfes, die vergangen ist; vielmehr ist der Einsatz für Christi Reich, der Schutz der Wehrlosen, die Hilfe für den Misshandelten, Bedrängten, Verachteten und Notleidenden die eigentliche Haltung des ritterlichen Menschen.“ (Ordensbuch Prolog 12) Es geht also um eine Haltung, die sich im konkreten Leben, in Wort und Tat aktualisieren soll – darum, auch Auseinandersetzungen nicht zu scheuen, sondern tapfer und treu für Christus und sein Evangelium einzutreten.
Vorbild für diese ritterliche Haltung eines Lebens in Tat und Wahrheit ist und war stets der heilige Märtyrer Georg, der als Patron der Ritter auch Patron des Deutschen Ordens ist. So lesen wir in der Brüderregel wie in der Lebensregel der Schwestern: „Wir verehren auch den heiligen Blutzeugen Georg. Er war durch Jahrhunderte Patron der Glaubenskämpfer. Als solcher soll er uns im Kampf / im Einsatz für den Glauben voranleuchten.“ (BR 69 und LR 55)
Dementsprechend gibt es in den Kirchen des Ordens stets praktisch immer Darstellungen des heiligen Georgs, meist als Sieger im Kampf mit dem Drachen. Es ist jener Drache, von dem wir im letzten Buch der Bibel lesen, er sei „der große Drache, die alte Schlange, die Teufel oder Satan heißt und die ganze Welt verführt“. (Offb. 12,9) Dieser ist der große Widersacher Christi und seiner Kirche, den es im Letzten zu bekämpfen gilt. Es geht also um den Kampf gegen das Böse schlechthin und jede seiner Verwirklichungsformen.
Eine interessante Darstellung des Drachenkampfes findet sich in der Hauskapelle unseres Konventes in Frankfurt-Sachsenhausen. Zwar wird Georg klassisch auf dem Pferd und mit Lanze gezeigt, aber den Drachen sucht man vergeblich. Stattdessen sieht man Darstellungen sündhaften Verhaltens mit der Ausbeutung und Knechtung anderer im Zentrum. Daneben finden sich Faulheit, Gier, Trunksucht und Wollust. Es geht im Kampf gegen das Böse also um ein Zweifaches: Zum einen um den Kampf gegen die Sünde in mir selbst und zum anderen um den Kampf gegen das Böse in der Welt, in der Gesellschaft, in der wir leben, denn all diese Verhaltenswesen existieren ja zumindest als Versuchung in mir und als Realität in der Welt um mich herum.
Und in beiden Kämpfen soll uns der heilige Georg Vorbild sein. Denn nur, wenn ich die Sünde in mir selbst in den Griff bekomme, kann ich auch die Sünde in der Gesellschaft glaubwürdig und erfolgreich bekämpfen. Dieser doppelte Kampf, den die Glieder der Kirche in dieser Welt stets ausfechten müssen, kann aber nur bestanden werden, wenn wir mit Christus, dem Sieger über Sünde und Tod, verbunden sind. Sein Beistand ist hierfür die notwendige Voraussetzung, so wie es das leider aus dem Gotteslob gestrichene Lied „Zieh an die Macht, du Arm des Herrn“ zum Ausdruck bringt, dass ich besonders mag, da es in der Deutschen Brüderprovinz stets bei der Einkleidung in Noviziat gesungen wurde, so auch bei meiner. Das Lied beginnt mit der zuversichtlichen Bitte um Christi Hilfe: „Zieh an die Macht, du Arm des Herrn, wohlauf und hilf uns streiten. Noch hilfst du deinem Volke gern, wie du getan vor Zeiten. Wir sind im Kampfe Tag und Nacht, o Herr, nimm gnädig uns in Acht und steh uns an der Seiten.“ Und fährt dann in der zweiten Strophe voll Überzeugung fort: „Mit dir, du starker Heiland du, muss uns der Sieg gelingen. Wohl gilt's zu streiten immerzu, bis einst wir dir lobsingen. Nur Mut, die Stund ist nimmer weit, da wir nach allem Kampf und Streit die Lebenskron erringen.“ (GL alt 304)
Den gleichen Gedanken finden wir auch im Georgsfries unserer Deutschordenskirche in Frankfurt: Im Zentrum sehen wir Georg als Märtyrer im Folterkeller. Während ihm ein Scherge die Folterinstrumente zeigen, hat er eine Christophanie, eine Vision Christi am Kreuz, die exakt in der Mitte des Bilderzyklus steht. Von Christus dem Gekreuzigten und durch seinen Beistand, so die Aussage des Bildes, erhält der Glaubenszeuge die Kraft zum Kampf gegen das Böse und zum Zeugnis bis zur Hingabe des eigenen Lebens. Christus ist das Zentrum seines Lebens, um dessen Gegenwart sich das ganze Leben des Heiligen ausspannt.
Dies zeigt auch uns den Weg für den inneren und äußeren Kampf gegen das Böse: Es gilt stets auf Christus zu schauen und aus dem Blick auf ihn Kraft und Richtung zu finden. Wie der heilige Georg müssen wir Christus, der sein Leben am Kreuz zu unserem Heil hingegeben hat, zum Zentrum unseres Lebens und unseres Glaubens machen. Sein Kreuzesopfer ist die Kraft der Märtyrer. Sein Ostersieg gibt ihnen die Zuversicht und den Mut, ihr Leben im Kampf gegen das Böse einzusetzen.
Erlauben Sie mir, am Ende meiner Gedanken noch einmal auf die Frage nach dem Ordensmotto zurückzukommen. In den Kirchen unseres Ordens finden sich die Darstellungen des heiligen Georg meist in direkter Gegenüberstellung zu denen der heiligen Elisabeth. So auch in unserer Ordenskirche in Frankfurt-Sachsenhausen, wo der Chorraum an der Nordwand mit einem Georgsfries und auf der gegenüberliegenden Südwand mit einem Elisabethfries geschmückt ist. Beide sollten die Ritter und Priester des Ordens beim Gebet vor Augen haben, um hiervon inspiriert zu werden. Elisabeth und Georg wurden – so macht dieses Bildprogramm deutlich – nicht als Gegensätze, sondern als komplementäre Impulse für die Ordensspiritualität begriffen. Oder anders gesagt: Wir sollten das „Heilen“ und das „Wehren“ als zwei sich ergänzende Verwirklichungsformen des „Helfens“ verstehen, das als konkrete Realisierung der Nächstenliebe der Impuls für die Gründung unserer Gemeinschaft am Strand von Akkon war. Daher erfuhr die Sorge des Ordens für die Kranken und Pilger durch die Umwandlung der Hospitalsbruderschaft in einen Ritterorden auch keine Minderung, sondern wurde hierdurch nur um einen weiteren Aspekt ergänzt. (Ordensbuch Prolog 2) So kann die Frage nach dem „Wehren“ im Ordensmotto letztlich offenbleiben, da es auf jeden Fall ein Teil des Helfens ist.
Uns allen aber gilt die Mahnung des heiligen Apostels Petrus: „Seid nüchtern, seid wachsam! Euer Widersacher, der Teufel, geht wie ein brüllender Löwe umher und sucht, wen er verschlingen kann.“ (1 Petr 5,8) Und er fügt an „Leistet ihm Widerstand in der Kraft des Glaubens!“ (1 Petr 5,9a)
Heiliger Georg,
Christus selbst hat Dir die Kraft gegeben, im Kampf gegen das Böse zu bestehen und den Glauben standhaft zu bekennen. Er war das Zentrum Deines Lebens. Der Blick auf ihn hat Dich gestärkt. Für ihn und seine Wahrheit hast Du Zeugnis abgelegt durch Dein Leben und Dein Sterben.
Erflehe auch uns die Gnade, Christus stets vor Augen zu haben und ihn zum tragenden Mittelpunkt unseres Lebens als Glieder des Deutschen Ordens zu machen, damit auch wir in der Kraft des Glaubens dem Widersacher Widerstand leisten. Dein Vorbild leuchte uns im Einsatz für Christi Reich voran, dass wir die Wehrlosen schützen, den Misshandelten helfen, die Bedrängten stärken, die Verachteten aufrichten, allen Notleidenden beistehen und uns so als ritterliche Menschen erweisen – als Menschen, die wie Du durch ihr ganzes Leben in Tat und Wahrheit Zeugnis geben von der Liebe Christi, des Siegers über Sünde und Tod, der lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
Amen.
Möge Gott Ihnen und allen, die uns und den Unsrigen anvertraut sind, auf die Fürsprache des heiligen Georg in allen Kämpfen des Lebens beistehen und Anteil am Ostersieg seines Sohnes verleihen.