Gedanken zu Neujahr 2025
Gedanken zu Neujahr 2025
von P. Jörg Weinbach OT
Geistlicher Assistent der Ballei Deutschland
Früher schrieb man die Abkürzung „A. D.“ vor die Jahreszahl – „Anno Domini“, „Im Jahre des Herrn“. Es handelte sich um einen Verweis auf die Geburt Jesu als Fixpunkt unserer Zeitrechnung. Sie geht zurück auf den heiligen Dionysius Exiguus zurück, einen Mönch, der im Jahr 525 n. Chr. zu berechnen versuchte, wie viele Jahre seit der Geburt Christi vergangen waren und dies dann auf seinen Ostertafeln angab. Ab dem 7. Jahrhundert setzte sich diese Form der Jahresangabe dann in der lateinischen Kirche durch. So übernahm etwa der heilige Beda Venerabilis sie in seinen Geschichtswerken. Vorher hatten die christlichen Schreiber ihre Jahresangaben mit dem Zusatz „Annus Mundi“ versehen, was „seit der Erschaffung der Welt“ meinte. Spätestens mit der Kaiserkrönung Karls des Großen im Jahre 800 n. Chr. rückte der Zusatz „Anno Domini“ dann auch ins Bewusstsein des Volkes und setzte sich in der Folge ebenfalls im weltlichen Bereich durch. Zuvor hatten die Fürsten, Päpste und Bischöfe zur Datierung die Angabe ihrer eigenen Herrschaftsjahre bevorzugt. Dies findet bis heute in der Datierung päpstlicher Dokumente seinen Widerhall, die als Zusatz stets die Angabe enthalten, im wievieltem Jahr eines Pontifikates sie verfasst wurden.
Die Bezeichnung „Anno Domini“ sagt aber mehr aus als die Zeitspanne seit Geburt Christi, wie dies das deutsche „nach Christus“ tut, denn sie qualifiziert durch die Verwendung des Genitivus possessivus das Jahr als eines, das Christus gehört: „Im Jahre des Herrn“. Wer daher den Zusatz „Anno Domini“ / „Im Jahre des Herrn“ benutzt, bekennt hierdurch die Herrschaft Christi, dessen Reich mit seiner Geburt angebrochen ist und sich bis heute in der Welt verwirklicht. Oder anderes gesagt, er erkennt Christus als Herrscher an, ähnlich wie es in der Liturgie der Osternacht zum Ausdruck kommt, wenn es bei der Bereitung der Osterkerze heißt: „Christus, gestern und heute, Anfang und Ende, Alpha und Omega. Sein ist die Zeit und die Ewigkeit. Sein ist die Macht und die Herrlichkeit in alle Ewigkeit.“ (Messbuch Bd. I, Seite [65])
Die Verwendung von „Anno Domini“ statt „Annus Mundi“ ist überdies ein Bekenntnis dazu, dass die Geburt Christi eine Zeitenwende ist. So wie es auch die Bibel zum Ausdruck bringt: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen.“ (Gal 4,4f.) Es ist daher nicht ohne eine gewisse Ironie, wenn die moderne Geschichtswissenschaft, um religiös neutral zu sein, teilweise statt „vor“ und „nach Christus“ „vor“ und „nach der Zeitenwende“ verwendet, bringt sie damit doch genau das zum Ausdruck, was die Geburt Christi für uns Gläubige ist: Der Wendepunkt der Geschichte des Menschen, der Beginn der neuen Schöpfung, die uns zu Kindern Gottes und Miterben Christi macht.“ (vgl. 2 Kor 5,17 und Röm 8,17)
Letztlich ist die Formel „Im Jahre des Herrn“ auch ein Ausdruck des Wissens, dass ein Jahr nur mit und durch den Segen Gottes ein gutes Jahr sein kann, und ein Ausdruck des Vertrauens, dass Gott dieses Jahr segnen will. Wie nüchtern klingt dem gegenüber unser „2025“ ohne jeden Zusatz – wie nüchtern und ohne Zuversicht.
Wir treten heute ein in das Jahr 2025, das in der katholischen Kirche als Heiliges Jahr begangen wird und unter dem Motto „Pilger der Hoffnung“ steht. In seiner Predigt zur Eröffnung des Heiligen Jahres sagte Papst Franziskus in der Christmette 2024:
„Dies … ist unsere Hoffnung. Gott ist der Immanuel, er ist der Gott-mit-uns. Der unendlich Große hat sich klein gemacht; das göttliche Licht ist in der Dunkelheit der Welt aufgeleuchtet; die Herrlichkeit des Himmels ist auf der Erde erschienen. Und wie? In der Kleinheit eines Kindes. Und wenn Gott kommt, auch wenn unser Herz einer ärmlichen Krippe gleicht, dann können wir sagen: Die Hoffnung ist nicht gestorben, die Hoffnung lebt und umhüllt unser Leben für immer! Die Hoffnung enttäuscht nicht.“ (Papst Franziskus, Predigt in der Christmette 2024)
Und mit Blick auf das Geheimnis der Heiligen Nacht fährt er fort:
„Jeder von uns kann in das Geheimnis dieses Gnadenerweises eintreten. Dies ist die Nacht, in der sich die Tür der Hoffnung für die Welt weit geöffnet hat; dies ist die Nacht, in der Gott zu jedem Einzelnen sagt: Auch für dich gibt es Hoffnung! Es gibt Hoffnung für jeden von uns.“ (Papst Franziskus, Predigt in der Christmette 2024)
Möge diese Hoffnung, deren Ursprung die Geburt Christi ist, jeden Tag des neuen Jahres mit seiner Liebe erleuchten und uns mit seinem Segen auf all unseren Wegen begleiten. Damit wir immer mehr zu Pilgern der Hoffnung werden – zu Menschen, die aus der lebendigen Gemeinschaft mit dem dreifaltigen Gott leben und wirken. Dann wird 2025 für uns zu einem Jahr des Herrn und durch seine Gegenwart wahrhaft zu einem Heiligen Jahr.
Gebet zum Heiligen Jahr von Papst Franziskus:
Vater im Himmel,
der Glaube, den du uns in deinem Sohn
Jesus Christus, unserem Bruder, geschenkt hast,
und die Flamme der Nächstenliebe,
die der Heilige Geist in unsere Herzen gießt,
erwecke in uns die selige Hoffnung
für die Ankunft deines Reiches.
Möge deine Gnade uns zu
fleißigen Säleuten des Samens des Evangeliums verwandeln,
mögen die Menschheit und der Kosmos auferstehen
in zuversichtlicher Erwartung
des neuen Himmels und der neuen Erde,
wenn die Mächte des Bösen besiegt sein werden
und deine Herrlichkeit für immer offenbart werden wird.
Möge die Gnade des Jubiläums
in uns Pilgern der Hoffnung
die Sehnsucht nach den himmlischen Gütern erwecken
und über die ganze Welt
die Freude und den Frieden
unseres Erlösers gießen.
Gepriesen bist du, barmherziger Gott,
heute und in Ewigkeit.
Amen!